Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
 
Bericht des Instituts für Informatik

 
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2.1   Abteilung für Informatik I

Leiter:
 
N.N. (lfd. Berufungsverfahren)

Sekretariat:
 
Mariele Knepper
Tel.: 0228/73-4333
Fax: 0228/73-4321
Email: knepper@cs.uni-bonn.de
Raum: N 311

Professoren:
 
N.N.

Prof. Dr. Karl-Heinz Böhling (Eremitiert seit Juli 1995)
Verteilte Systeme
Email: boehling@cs.uni-bonn.de

Akademischer Oberrat:
 
Dr. Fritz-Eduard Peters

Wissenschaftliche Mitarbeiter:
 
Dipl.-Inform. Alexander Asteroth
Dr. Ulrich Aßmann
Dipl.-Inform. André Fischer
Dr. Knut Möller
Dipl.-Phys. Volker Roth
Dr. Volker Steinhage

Systemadministrator:
 
Dr. Ulrich Aßmann

Theoretische Informatik und Künstliche Intelligenz

(N.N., lfd. Berufungsverfahren)

Schwerpunkte in Forschung und Lehre

  • Logik und parallele Prozesse

  • Kombinatorische Algorithmen

  • Robotik und Bewegungslernen

  • Medizinische Informatik: Modellbildung und Simulation

  • Modellbasiertes Bildverstehen

Logik und parallele Prozesse

Ziel dieses Forschungsbereichs ist die Entwicklung von effizienzsteigernden Methoden für Deduktionssysteme. Die Fähigkeit, Schlußfolgerungen in der Logik, einem der grundlegenden Formalismen zur Repräsentation von Wissen, ziehen, und damit intelligentes Verhalten simulieren zu können, eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, die heutzutage weit über den ursprünglich verfolgten Zweck, das automatische oder maschinelle Beweisen mathematischer Theoreme, hinausgehen. Zu diesen Anwendungsmöglichkeiten zählen beispielsweise Expertensysteme, Erkennung natürlicher Sprache, Planerstellung und intelligente Robotersteuerung, automatische Programmsynthese, Programmverifikation, Prolog und vieles mehr.

Entgegen ihrer theoretischen Bedeutung setzt jedoch der mit der Problemgröße überproportional anwachsende Zeit- und Speicheraufwand derartiger Systeme den Anwendungen in der Praxis sehr enge Grenzen. Daher sind Methoden zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit logischer Deduktionsprozesse dringend erforderlich. Dazu bietet sich beispielsweise die Ausnutzung der der Logik inhärenten Parallelität an.

Entsprechend konzentrieren sich die Untersuchungen von der theoretischen Seite her auf die Analyse der Quellen von Parallelität, sowie der Möglichkeiten ihrer Darstellung mittels verschiedener Repräsentationsformalismen (Petri-, Datenfluß-Netze). Diese Formalismen weisen auch für die sequentielle Ausführung auf Merkmale hin, die zur Beschleunigung des Deduktionsprozesses genutzt werden können, insbesondere die Vermeidung mehrfacher Bearbeitung zyklischer Strukturen. Die Verbindung zur anwendungsorientierten Seite bilden Untersuchungen zur Implementierbarkeit der in der Theorie gewonnenen Erkenntnisse, im parallelen Fall auf verschiedenen Hardware-Ausprägungen aus der Klasse der MIMD- und SIMD-parallelen Rechner.

Kombinatorische Algorithmen

Umfangreiche Fortschritte der neueren Algorithmik sind wesentlich das Ergebnis andauernden Bemühens um immer weitere Effizienzsteigerung von Problemlösungen. Bei der Entwicklung involvierter Techniken scheint naturgemäß der Wunsch nach einfachem Design zurückgestellt, während andererseits eines der bemerkenswertesten Phänomene erhalten bleibt: wir haben naive Heuristiken, deren durchschlagende Erfolge wir mehr bewundern als verstehen.

Als Musterbeispiel kennen wir die ,,Graph-Isomorphie``, die allerdings sehr viel mehr ernst zu nehmende Rätsel aufgibt: simple Suchtricks der ersten Attacke arbeiten praktisch zufriedenstellend -- doch der Komplexitätsstatus blieb ungeklärt; aktuellen Polynomialzeit-Testern auf exhaustierenden Graphenklassen haftet bedauerlicherweise Impraktikabilität an!

Solche Situationen legen immer noch Experimente hinsichtlich der Tragweite klassischer Ansätze bzw. dazugehöriger Varianten nahe; im angedeuteten Zusammenhang könnte ein ausgewogener 2-Phasen-Test interessante Aufschlüsse geben. Entsprechende Programmierprojekte zeigen bereits am PC, wie moderne Rechner vorhandene Schwierigkeiten überspielen und doch unüberwindbare Grenzen haben.

Robotik und Bewegungslernen

Die Bewegungssteuerung ist eine sehr komplexe Aufgabe. Biologische Systeme (z.B. höhere Lebewesen) mit ihrer Jahrtausende währenden Optimierung verwenden einen großen Anteil ihrer ,,Berechnungskapazität`` zum Bewegungsentwurf, zur Bewegungssteuerung und -koordination.

Dabei werden sehr unterschiedliche Zielsysteme angesteuert, die von der Sprachgenerierung (Broca Zentrum) über Saccaden der Augen (coll.sup.) bis zur Fortbewegung (Motorcortex) reichen. Es findet eine starke aufgabenspezifische Spezialisierung durch Lernen und Adaption statt. Durch die ständige Anpassung an neue Gegebenheiten (z.B. Wachstum der Extremitäten, Absterben von Neuronen, Veränderungen der Umgebung) wird eine erstaunliche Flexibilität und Robustheit erzielt. Eine ähnlich zuverlässige, schnelle Bewegungsgenerierung läßt sich mit den bisherigen technischen Hilfsmitteln nicht erzielen. Es gelingt zwar, für einfache Bewegungen und Manipulatorkonstruktionen hochpräzise Steuerungen (viel genauer als bei natürlichen Bewegungen) zu realisieren; deren Einsatzmöglichkeiten sind gegenüber biologischen Steuerungen jedoch deutlich eingeschränkt.

Bereits seit einigen Jahren wurden und werden in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. G. Veenker an verschiedenen Robotermanipulatoren Ansätze zur Bewegungssteuerung untersucht und weiterentwickelt.

Aktuelle Arbeiten lassen sich in zwei Bereiche gliedern:

  • Entwurf einer flexiblen und effizienten Entwicklungsumgebung: Es wurde eine Agentensystemshell MARC (Multi Agent Resource Control) realisiert, welche Möglichkeiten bietet, zur dynamischen Verteilung von Prozessen über ein Rechnernetzwerk und zur Beeinflussung von Agenten durch Kooperationsabsprachen und durch ,,Übertragung`` von Eigenschaften im Sinne eines ,,remote programming``.

  • Entwicklung hierarchischer Steuerungssysteme, welche von der low-level Regelung der Motoren bis hin zu Planungsprozessen in Abstraktionshierarchien reichen.

Als adaptive, lernfähige Verfahren werden einfache Schätzregler, verhaltensbasierte, hierarchische Dekompositionstechniken sowie neuronale und Fuzzy-Regler eingesetzt.

Medizinische Informatik: Modellbildung und Simulation

- Kreislaufveränderungen durch $\mu$-G (Schwerelosigkeit)

Aufenthalte in der Schwerelosigkeit induzieren Veränderungen am Kreislauf von Astronauten, deren Ursachen ungeklärt sind. Um die Funktion des cardiovaskulären Systems (CVS) zu verstehen, welches sich rasch an die jeweiligen Erfordernisse des Körpers und seiner Umgebung anpaßt, müssen diverse Komponenten (die Blutgefäße, das Interstitium etc.) und die unterschiedlichsten Verhaltensmuster berücksichtigt werden. Zur Anpassung an die Erfordernisse (Kreislaufregulation) hat der menschliche Körper eine Reihe von Mechanismen entwickelt. So steht das CVS unter strikter adaptiver neuronaler und endokriner Kontrolle. Lokale und zentrale Wirkmechanismen greifen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig. Es handelt sich um ein komplexes dynamisches System.

Auf der Basis der Agentensystemshell MARC wurde das CARDIO-Simulationssystem entwickelt, welches u.a. die pulsatile Dynamik einer Flüssigkeit (Blut) in elastischen Röhren simuliert. Gleichzeitig verfügt es über verschiedene Regler, die zu Vergleichszwecken integriert wurden.

Wichtige derzeitige Arbeitsfelder umfassen:

  • die Anpassung von Parametern in hochdimensionalen Räumen. Die Modellbildung kann in der Medizin nur erfolgreich angewendet werden, wenn Techniken entwickelt werden, die solche umfangreichen Modelle an den jeweiligen Probanden oder Patienten anpassen können.

  • die Entwicklung adaptiver Regelungen zur Erfassung des Phänomens der ,,orthostatischen Labilität``.

  • die modellbasierte Optimierung von Gegenmaßnahmen (countermeasures) für die Besatzung der internationalen Weltraumstation ISS.

Modellbildung und Simulation tragen zum Verständnis des Kreislaufsystems per se bei (Grundlagenforschung), besitzen aber auch Anwendungsbezug, da sich die Ergebnisse unmittelbar in der Medizintechnik (u.a. Telemedizin) umsetzen lassen.

- Preoperative Risikoabschätzung bei der operativen Therapie intrazerebraler arteriovenöser Mißbildungen

Arteriovenöse Mißbildungen (AVM) sind hömodynamisch relevante Veränderungen der zerbralen Durchblutung. Im Zuge der operativen Ausschaltung der ,,high flow shunts`` kommt es bei einer Reihe von Patienten zu komplikationsbehafteten Umstellungsreaktionen. Es entwickeln sich neurologische Ausfälle durch Minderperfusion, Ödembildung und gelegentlich gar lebensbedrohliche Zustände durch Gefäßrupturen.

Mit Hilfe des CARDIO-Simulationssystems sowie eines 3D-Werkzeugs wird die Gehirndurchblutung simuliert und die Hämodynamik durch Farbschattierungen im 3D-Tool animiert. Potentielle operative Eingriffe werden in der Simulation durchgespielt und z. B. die maximalen Scherkräfte auf die Gefäßwände während der Umstellungsreaktion berechnet.

In weiteren Experimenten wird die Individualisierung der Gefäßanatomie durch Auswertung von bildgebenden Verfahren untersucht.

Modellbasiertes Bildverstehen

- Modellbasierte Gebäuderekonstruktion aus Luftbildern

Die räumliche Erfassung von urbanen Szenen zu 3D-Stadtmodellen verzeichnet einen stark anwachsenden Bedarf in der Städteplanung, dem Umweltschutz, der Architektur sowie in zahlreichen Projekten von Versorgungs-, Transport- und Kommunikationsunternehmen. Verfahren der digitalen Photogrammetrie sind zwar etabliert, weisen aber wegen des großen Datenvolumens i.a. nicht die erforderliche Effizienz auf. Daher müssen verstärkt Methoden des Bildverstehens und der Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden, wobei der expliziten Modellierung der zu erfassenden Gebäudestrukturen eine Schlüsselrolle zukommt. Ziel des in enger Kooperation mit den Instituten für Informatik III und Photogrammetrie der Universtät Bonn angelegten Forschungsprojekts ist die modellbasierte Erkennung und Rekonstruktion von Gebäuden aus Luftbildvorlagen. Die Arbeiten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Teilprojekt im Rahmen des Verbundprojekts Semantische Modellierung und Extraktion räumlicher Objekte aus Bildern und Karten gefördert.

- Erfassung von Tragwerken durch Bild- und Dokumentenanalyse

In Deutschland finden über 50% aller Bauvorhaben im Bestand statt. D.h. es handelt sich um Umnutzungen, Erweiterungen oder andere Änderungen bestehender Bausubstanz (z. B. Industriebrachen etc.). Aufgabe einer automatisierten Bauaufname ist die effiziente Erfassung und Bewertung der bestehenden Bausubstanz hinsichtlich ihrer räumlichen Abmessungen und ihrer Funktionstüchtigkeit. In enger Kooperation mit Bauingenieuren der RWTH Aachen werden wissensbasierte Ansätze zur automatisierten Erfassung von Tragwerken bestehender Bauwerke untersucht, in denen Module des Bildverstehens, des geometrischen Editierens und der statischen Analyse zusammenwirken. Aufgrund der i. a. anzutreffenden Verdeckungen durch Verschalungen, Deckungen, etc. ist zudem die Analyse von vorhandenen Zeichnungsdokumenten (Baupläne und -zeichnungen) in die Erfassung miteinzubeziehen.

- Automatisierte Artenklassifikation von Wildbienen durch Bildanalyse

Zahlreichen Bauvorhaben muß eine Bewertung der durch die Baumaßnahmen potentiell betroffenen Biotope vorausgehen. Die Bewertung von Biotopen basiert i.a. auf der Erfassung von sog. Bioindikatoren, d.h. Pflanzen- oder Tierarten, aus deren Auftreten spezifische Aussagen zur Biotopqualität ableitbar sind. Wildbienen stellen eine herausragende Gruppe zur naturschutzfachlichen Indikation von Biotopen dar; zudem üben sie wichtige Bestäuberfunktionen aus. Einige Arten sind ferner im Bestand stark gefährdet. Der gezielten Nutzung dieser Gruppe zur indikatorischen Bewertung sowie dem planvollen Schutz steht bislang ihre schwierige taxonomische Bearbeitung entgegen. Ziel des in enger Kooperation mit dem Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde der Universität Bonn angelegten Forschungsprojekts ist die Entwicklung einer rechnerbasierten Methode zur morphometrischen Erfassung und Bestimmung von Wildbienen durch modellbasierte Bildanalyse mit Hilfe einer mobilen Erfassungseinheit. Die Arbeiten werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Projekts Automatisierte Artenklassifikation gefördert.